Innenraum Lavinia
Schneeraumkonfetti. Seelenbumbum
In den frühen 1920er Jahren stellte die Hamburger Maskentänzerin Lavinia Schulz Ganzkörpermasken her. Diese Ganzkörpermasken wirken einerseits grotesk lebendig, andererseits sperrig und schwer. Erschütternd ist das wenige biographische Material, das über die früh zu Tode gekommene Lavinia Schulz und ihren Ehemann und Arbeitspartner Walter Holdt, bekannt ist.
Tanja Brandmayr hat sich auf Spurensuche begeben und ist – sozusagen im Zeitsprung und in bildlicher Entsprechung zu einem rätselhaft gebliebenen Maskeninneren – in einen fremden inneren Raum geschlüpft: Entstanden ist eine Arbeit, die als realer Kellerraum in Hamburg definiert, mit Text, Referenzsystemen, Fotos und Videofragmenten zu einem textlich-performativen Innenraum wurde. Das Betreten eines fremden Innenraums meint hier ein „Hineingehen“ mit der eigenen Biographie in das Leben und Werk einer anderen. Das Betreten des fremden Innenraums meint außerdem das quasi-literarische Schreiben in performativer, das heißt körperlich und räumlich situativer Überprüfung.
Selbstredend tauchen damit biographische, künstlerische, theoretische und kunstgeschichtliche Widersprüchlichkeiten auf, die vielleicht in Entsprechung zum grotesk-expressiven Äußeren der Masken ein ebenso groteskes Sprechen eines Innenraums kreiert haben.
Über diesen Prozess gibt der Text selbst Auskunft, der grundsätzlich als Narration des Unterfangens angelegt, zahlreiche Formalismen und Referenzen im Detail aufweist.
Basics über Lavinia Schulz und Walter Holdt:
H.H. Stuckenschmidt: Zum Hören geboren Athina Chadiz: Die expressionistischen Maskentänzer Lavinia Schulz und Walter Holdt Die Originale der Ganzkörpermasken befinden sich im Museums für Kunst und Gewerbe, Hamburg
Foto- und Bildmaterial:
Auf diesen Seiten sind Bilder der Präsentation „Innenraum Lavinia“ zu sehen, die im Mai/Juni im Atelierhaus Salzamt gezeigt wurde. Die Präsentation inkludierte die im Zentrum stehende Textarbeit, die über Kopfhörer zu hören war, sowie verschiedenes Material, das als „situativ-performative Überprüfungen“ während des Schreibprozesses entstanden ist und zu einer Innenraum-Installation wurde – auch in in diversen Bearbeitungen und (Un)Schärfen. Was die Originalmasken betrifft: Speziell auf dem mittleren, kleinen Bild sind Ganzkörpermasken von Lavinia Schulz und Walter Holdt zu erkennen, „Bibo“ und die „Bertchens“, bzw. „Tanzbertchens“. Alle Fotos: Tanja Brandmayr
Referenzen und Details im Text:
Seelenkonfetti, Futurumbumbum: aus Dada, verschiedene Varianten gemacht Das Schwert, das von selber kämpft, aus: Die Götterlieder der Älteren Edda Die symmetrische Anthropologie – Referenz auf Bruno Latour Skirnir, Bertchen, Toboggan: Namen von Ganzkörpermasken Das zitierte Werfen: Referenz auf Kurt Schwitters “Psychobuch”: Referenz auf Michel Foucault, Die Macht der Psychiatrie, stw “Witzbuch Geld”: Geld frisst Kunst Kunst frisst Geld, Markus Metz und Georg Seeßlen Der utopische Körper: Michel Foucault, Die Heterotopien, Der utopische Körper Über nichts sprechen wollen, was nicht gefallen ist: Referenz auf Ludwig Wittgenstein Sich stattdessen lieber zum ungeborenen Kind seiner Konzeption machen und den Innenraum betrachten: Das Werk ist die Totenmaske der Konzeption, Walter Benjamin Ein Mensch verkörpert Polen: Referenz auf Alfred Jarry Dada-Surrealismus-Referenz auf zwei andere junge Tote, Jaques Vaché und meines Wissens sein Freund: Selbstmord als Protest auf den Krieg Possen: Possen des Performativen, Gin Müller Nasale Phase: höchstpersönlich entwickelte Theorie Appellativer Ton am Ende: Schreiben Sie einen Welthammer, Bernhard! Claus Peymann Psychopompos (~Seelenbumbum): Anderer Name für Hermes, der als Seelenführer die Toten über den Hades begleitet. Ein Hinweis von Pamela Neuwirth Klappenmasken: Referenz auf verwendete Zitate von Buchklappentexten und damit den Umstand, dass Buchdeckel die Masken der Buchinnenwelt sind Wahr sind nur die Gedanken, die sich selber nicht verstehen: Theodor W. Adorno
Verweise:
„Innenraum Lavinia“, Gemeinschaftspräsentation im Salzamt Linz, Mai 2016: Der Text war über Kopfhörer zu hören. Außerdem waren die fragmentarische Raumsituation, sowie einige der situativ-performativen Überprüfungen zu sehen.
Ausstellung „getriggert“ von Andrea Lehmann im Kubinhaus der OÖ Landesmuseen, Mai 2016: Tanja Brandmayr wurde von der Malerin Andrea Lehmann porträtiert, während sie „Innenraum Lavinia“ nachbearbeitet hat. Dieses Porträt, wo die beiden Bertchens im Hintergrund ihrer Wohnung zu sehen sind, sowie einige Maskenteile, ist Teil der Ausstellung.
Mit allergrößtem Dank an Kurt Holzinger.
Ein Projekt von Tanja Brandmayr, geboren 1969, freie Kunst- und Kulturschaffende, arbeitet seit vielen Jahren und in unterschiedlichen Zusammenhängen mit Text, Kunst und Inszenierung. brandjung.servus.attanja@servus.at
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Der Text wurde eingelesen von Pamela Neuwirth.
Innenraum Lavinia wurde gefördert von LinzKultur und LinzEXPORT 2015
Website: Elisabeth Schedlberger isabel@liwest.at
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